Wenn der Bauch das Leben schwermacht: Das Reizdarmsyndrom

Früher bekam man die Diagnose Reizdarmsyndrom, wenn ein Arzt keine Ursache für die typischen Bauchbeschwerden finden konnte und schnell war der Stempel „das ist psychisch“ verteilt. Heute weiß die Medizin, dass mehr dahintersteckt, auch wenn die Forschung noch lange nicht am Ende ist.

Was versteht man unter Reizdarmsyndrom?

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, an einer Fortbildung für Ärzte zu diesem Thema teilzunehmen. Dort wurden viele aktuelle Forschungsergebnisse vorgestellt. Das Ziel von Frauen-Gesundheit ist es, dich als Patientin bestmöglich zu informieren und deshalb lasse ich dich gerne an diesem ganz frischen Wissen teilhaben.

Von Reizdarmsyndrom spricht man, wenn:

  • Die Patientin über Schmerzen, Verstopfung, Blähungen oder Durchfall klagt
  • Die Beschwerden mindestens drei bis sechs Monate andauern
  • Die Lebensqualität stark eingeschränkt wird
  • Die gängigen Untersuchungen (Blutbild, Endoskopie) keine Ursachen gezeigt haben

Schätzungen gehen davon aus, dass 4-15% der Menschen in Deutschland betroffen sind. Die Erkrankung verläuft meist chronisch, es kann aber auch lange beschwerdefreie Phasen geben, wobei sich Magen- und Darmbeschwerden abwechseln können. Für die Patientinnen ist die Erkrankung sehr belastend, sie gehen sehr oft zum Arzt, weil Therapien nicht greifen und müssen sich häufig krankschreiben lassen.

Wie wird das Reizdarmsyndrom diagnostiziert?

Mit der Diagnose ist es in diesem Fall eine verflixte Sache, denn die Erkrankung hat so viele Gesichter, dass Ärzte hier erstmal Detektiv spielen müssen. Die Beschwerden sind so unspezifisch, dass sie von allen möglichen Erkrankungen ausgelöst werden könnten. Das können harmlose Geschichten, wie eine Milchzuckerunverträglichkeit sein, es können aber auch sehr gefährliche Erkrankungen dahinterstecken. Eierstockkrebs verursacht in der Anfangszeit vor allem Darmbeschwerden, um hier nur mal ein Beispiel zu nennen. Deshalb gilt es zu Beginn erstmal alle bösartigen sowie alle entzündlichen Erkrankungen auszuschließen. Alles was danach kommt, ist sehr individuell und wird auf dich als Patientin abgestimmt.

Bei der weiterführenden Diagnose achten Ärzte auch auf psychologische Aspekte und auf bereits vorhandene Erkrankungen wie Fatigue oder Fibromyalgie, denn diese erhöhen die Reizdarmwahrscheinlichkeit. Es werden dann weiterführende Blutuntersuchungen, Stuhlproben, Ultraschall und gynäkologische Untersuchungen als weitere Möglichkeiten herangezogen. Und bedacht werden muss auch, dass im Darm eine Fehlbesiedlung mit Bakterien vorliegen kann, dass eine gestörte Funktion der Bauchspeicheldrüse vorliegen kann, dass sich der Darm zu viel oder zu wenig bewegt oder dass seine Durchblutung gestört ist. Du merkst schon, dass deine Ärztin oder dein Arzt hier sehr viele Dinge berücksichtigen muss. Deshalb dauert es auch oft sehr lange bis eine endgültige Diagnose gestellt wird. Für dich als Patientin kann es schwierig sein, so viel Geduld zu haben und für viele ist es verständlicherweise auch nicht nachvollziehbar, dass bei den zahlreichen Untersuchungen alles in Ordnung ist und sie trotzdem so starke Beschwerden haben. Dabei können viele Dinge dahinterstecken, die nicht messbar sind. Es dreht sich dann um die Reizverarbeitung, um die Beweglichkeit des Darms, seine Sekretbildung, seine Empfindlichkeit, seine Durchlässigkeit und tatsächlich auch um unser Gehirn, das in Stresssituationen in die Darmtätigkeit eingreift.

Wie wird das Reizdarmsyndrom behandelt?

So vielfältig wie das Erscheinungsbild der Erkrankung ist auch ihre Behandlung. Die Medizin geht heute davon aus, dass die Ursache für das Reizdarmsyndrom tatsächlich im Darm selbst liegt und auf eine besondere (Schmerz-)Empfindlichkeit und auf eine veränderte Motorik zurückzuführen ist. Die besten Erfolge werden bei einem Therapiekonzept erreicht, das verschiedene Fachbereiche mit einbezieht. Dabei geht es um Lifestyle, Psyche, Ernährung, um den Einsatz von Probiotika in Verbindung mit medikamentöser Behandlung.

Ernährung

Es hat sich gezeigt, dass die Begleitung durch eine Ernährungsberaterin oder einen Ernährungsmediziner sehr sinnvoll ist. Sie können dabei unterstützen, dass man lernt, auf Fodmaps zu verzichten. Das sind schwer verdauliche Kohlenhydrate, die im Darm vergären, Gase bilden und Beschwerden verursachen. Für gesunde Menschen stellen sie kein Problem dar, für Menschen mit Reizdarmsyndrom aber schon. Da sie in sehr vielen Lebensmitteln vorkommen, macht hier eine fachkundige Unterstützung auf jeden Fall Sinn.

Es lohnt sich auch, die Einnahme von Probiotika, also Darmbakterien, auszuprobieren. Ein Erfolg ist nicht garantiert, aber viele Betroffene sprechen gut darauf an.

Psychologie

Viele Betroffene entwickeln Ängste, zum Beispiel davor, keine Toilette zu finden, wenn der Durchfall wieder auftritt. Zudem ist der Leidensdruck durch die ständigen Schmerzen sehr groß. Hier ist die Unterstützung durch einen Psychologen angebracht. Verhaltenstherapie, Hypnose und spezielle Apps können hier Wirkung zeigen.

Medikamente

Je nach Art der Beschwerden stehen unterschiedliche Medikamente zur Verfügung, die vom Arzt individuell ausgewählt werden und von Abführmitteln über Krampflöser bis zum Schmerzmittel reichen. Zusätzlich kann man auch auf frei verkäufliche Mittel aus der Traditionellen Chinesischen Medizin oder aus der Pflanzenheilkunde zurückgreifen. Auch Heilerde kann eine positive Wirkung haben. Zusätzlich lohnt es sich, Yoga und Akupunktur auszuprobieren.

Moderne Therapieansätze

Ergänzend zu den bereits erwähnten Möglichkeiten, gibt es auch Therapien, die sich für Laien noch nach Science fiction anhören, wie die vibrierenden Darmkapseln. Das sind kleine mit Strom geladene Kugeln, die in gewissen Abständen vibrieren. Man nimmt fünf Mal pro Woche eine solche Kapsel ein, diese wandert durch den Körper und stimuliert durch ihre Vibration die Magen-Darm-Motorik. Studien zeigen, dass die Ergebnisse bei Verstopfung sehr gut sind. In Deutschland ist diese Methode noch nicht zugelassen und der Elektroschrott, der dabei entsteht, ist auch nicht ohne.

Fazit

Solltest du unter anhalten Magen-Darm-Beschwerden leiden, musst du leider Geduld mitbringen, bis eine abschließende Diagnose gestellt werden kann. Der Grund dafür ist nicht die Unfähigkeit deiner Ärztinnen und Ärzte, sondern die Tatsache, dass sehr viele verschiedene Erkrankungen dieselben Symptome zeigen. Steht die Diagnose Reizdarm, zeigen Studien, dass es am effektivsten ist, wenn du dich von mehreren Fachbereichen gemeinsam therapieren lässt. Wenn Hausarzt, Physiotherapie, Ernährungsberatung und Psychologin zusammenarbeiten, scheinen die Kosten für die Krankenkassen zwar zunächst höher, pro Therapieerfolg sind sie aber günstiger als bei einer Standardtherapie und erfolgreicher sowieso. Abschließend müssen wir aber festhalten, dass auf diesem Gebiet noch viel geforscht werden muss.

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